Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 10/2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 9. V-Anträge |
Antragsteller*in: | Svenja Schierholz, Marc Fleischmann |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.10.2018, 23:10 |
V8: Vergünstigungen für alle
Antragstext
In einer Gesellschaft sollten die gleichen Grundvoraussetzungen für alle
geschaffen werden. Deshalb fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen eine
Angleichung des Umfangs der Fördermaßnahmen für Auszubildende und Schüler*innen
an die für Studierende.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert eine kostenlose Beförderung von allen
Schüler*innen und Auszubildenden mit dem ÖPNV zur Schule bzw. zum
Ausbildungsbetrieb. Für viele Schüler*innen und Auszubildende, gerade aus dem
ländlichen Raum, ist dieser Weg eine große finanzielle Belastung. Dies führt
dazu, das der Geldbeutel der Eltern entscheidet, ob jemand die Berufschule in
der Nachbarstadt besuchen kann, um eine Ausbildung zu machen, die in seiner
Stadt nicht angeboten wird. Bei Schüler*innen ist die Situation ähnlich, es gibt
gerade in der Oberstufe viele Möglichkeiten für Schüler*innen, ihren Lebensweg
zu gestalten. Doch beispielsweise Berufliche Gymnasien, Waldorfschulen oder
Schulen mit bilingualer oder fachspezifischer Ausrichtung gibt es nicht in jeder
Stadt, sodass die Schüler*innen oftmals gezwungen sind, viele Kilometer mit dem
Bus oder Zug zu ihrer Schule zu fahren. Dies können sie allerdings nur, wenn
ihre Eltern das Geld haben, ihnen die Fahrtkosten zur Schule zu bezahlen.
Während Studierende mit ihrem Semesterticket häufig durch ganz Niedersachsen
reisen können, sind Schüler*innen und Auszubildende mit ihren Fahrkarten an
bestimmte Strecken gebunden, obwohl sie für ihre Tickets oft mehr pro Monat
bezahlen als Studierende für ein halbes Jahr. Damit Bildung nicht von den
finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhägt, fordert die GRÜNE JUGEND
Niedersachsen die Abschaffung dieser Barriere.
Viele Vergünstigungen werden als Teil des Alltags von Studierenden nicht immer
bewusst als solche wahrgenommen: es gibt Mensen, in denen Studierende aufgrund
von Subventionen für 40 Cent eine Tomatensuppe samt Brotbeilage bekommen,
wohingegen in kleinen Ausbildungsbetrieben im Außengebiet teilweise keine andere
Gelegenheit besteht, als sich selbst etwas mitzubringen.
Tatsächlich sind die durchschnittlichen Ausgaben der öffentlichen Hand je
Student*in allein für die Hochschulen höher als für andere
Bildungsteilnehmer*innen: Laut dem Bildungsfinanzbericht 2017 haben sie in 2014
unter Einbezug ausschließlich der Aufwendungen für Lehre 7.500 Euro, unter
Einbezug auch der Forschungsaufwendungen sogar 13.500 Euro je Student*in
betragen. Die Ausgaben je Schüler*in im Mittel aller Schulformen haben sich
jedoch nur auf 6.700 Euro belaufen, die Ausgaben im Zusammenhang mit
Auszubildenden im dualen System für Berufsschulen sogar nur auf 2.900 Euro je
Kopf. Dabei sind all die Vergünstigungen wie BAFöG, sehr günstige
Semestertickets und verbilligtes Mensaessen noch gar nicht miteingerechnet.
Darüber hinaus gilt noch immer: Studierende stammen tendenziell aus finanziell
besseren Verhältnissen und verdienen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich
weitaus mehr als Personen ohne Studienabschluss. Auch die Dauer bis zum Ende
einer akademischen Laufbahn ist regelmäßig länger als die einer anderweitigen
Berufsausbildung.
Ist es unter diesen Umständen gerecht, dass Auszubildende selbst während der
Dauer ihrer Berufsausbildung nicht im gleichen Maße gefördert werden wie
Studierende? Sollte nicht das Bildungsangebot, dass der/dem Einzelne*n zur
Verfügung steht, unabhängig vom eingeschlagenen Berufs- und Bildungsweg sein?
An regulären Universitäten und Fachhochschulen finden Studierende ein Angebot
vor, dass weit über die Vorbereitung auf eine konkrete spätere Berufstätigkeit
hinausgeht. Dort sind die Gelegenheiten, sich in der vielfältigsten Weise zu
bilden, durch eine weite Auswahl an Veranstaltungen an jedem Tag - teils durch
die Institutionen selbst, teils durch außeruniversitäre Einrichtungen, teils
durch engagierte Gruppen aus der Studierendenschaft heraus - zuweilen kaum
überschaubar. Denjenigen, die sich in einem typischen dualen Ausbildungsgang
befinden, stehen hingegen weitaus weniger Möglichkeiten zur Verfügung.
Programme wie Erasmus+ können darauf hinwirken, dass z.B. Auslandsaufenthalte,
wie sie für viele Studierende selbstverständlich zum Studium dazugehören, auch
für immer mehr junge Menschen eines Ausbildungsjahrganges Teil des Bildungsweges
werden. Es bestehen also bereits Möglichkeiten für diejenigen, die einen anderen
Weg als einen akademischen einschlagen, die in den letzten Jahren immer mehr in
Anspruch genommen worden sind. Doch das sollte noch viel weiter reichen! Es
genügt nicht nur, theoretische Angebote zur Verfügung zu stellen, vielmehr
sollten sie gerade denjenigen gegenüber, die nicht so vertraut mit solchen sind,
aktiv bekannt gemacht und empfohlen werden.
Bildung ist mehr als nur die Vermittlung von Wissen. Sie ist Grundlage eines
argumentativen und offenen Diskurses und als solche nicht nur individuell,
sondern auch gesamtgesellschaftlich von höchstem Wert. Denn zu einer
funktionierenden und lebendigen Demokratie bedarf es der Partizipation möglichst
vieler Menschen, die sich mit unterschiedlichen Lebenshintergründen und aus
unterschiedlichen Blickwinkeln einbringen und zugleich bereit sind, auch die
Erfahrungen und Perspektiven anderer zu berücksichtigen.
In den vergangenen Jahren ist immer wieder der Ruf nach Fachkräften auch ohne
akademischen Bildungsabschluss, sondern mit fundierten in Betrieben erworbenen
Kenntnissen und Fertigkeiten aufgekommen. Dabei ist beklagt worden, dass sich zu
viele Abiturient*innen für ein Studium entschließen, ohne eine Ausbildung auch
nur in Erwägung zu ziehen.
Wenn aber ein Studium schon abgesehen von den beruflichen Aussichten wegen all
der Möglichkeiten, die es für die persönliche Entfaltung bietet, wesentlich
attraktiver ist, wird sich das nicht ändern - außer auch im Rahmen des dualen
Ausbildungssystemes werden mehr solche Möglichkeiten angegliedert.
Daher schlägt die GRÜNE JUGEND Niedersachsen vor, auch während eines
Ausbildungsganges Angebote zu schaffen, die völlig unabhängig von der jeweiligen
Berufsrichtung nebenher besucht werden können, und in den Berufsschulen diese
deutlich zu bewerben. Vergleichbare Angebote gibt es bereits mit den
Wahlseminaren, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes absolviert werden
können. Abweichend von der Konzeption von Seminaren im Rahmen von freiwilligen
Jahren sollten diese jedoch einerseits ausschließlich auf freiwilliger Basis und
andererseits mit kürzerer Dauer über Wochenenden stattfinden, sodass sie die
Zeiten der beruflichen Ausbildung nicht verringern, sondern nur ergänzend zur
Seite stehen. So würde auch für Auszubildende eine naheliegende Möglichkeit
geschaffen, die Vorbereitung auf den Beruf mit einer ganzheitlicheren und
individuelleren Bildung zu verbinden.
Über die parteinahen Stiftungen wie beispielsweise die Heinrich-Böll-Stiftung
werden jedes Jahr tausende Studierende und Promovierende mit Stipendien
gefördert. Diese bieten nicht nur einen finanziellen Zuschuss, sondern darüber
hinaus insbesondere eine Plattform zur Vernetzung mit anderen engagierten
Stipendiat*innen sowie die Teilnahmemöglichkeit an vielfältigen Workshops und
Seminaren. Überwiegend werden durch derartige Stipendien diejenigen weiter
begünstigt, die sich einerseits in hohem Maße zugunsten der Gesellschaft
einbringen, andererseits einhergehend jedoch bereits über einen sehr guten
Zugang zu Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe und nicht-fachspezifischer
Bildungsangebote verfügen. Warum aber beziehen diese Stipendienprogramme keine
Auszubildende ein, wenn diese mit exzellenten Noten sowie gesellschaftlichem
Engagement die gleichen Voraussetzungen wie die geförderten Studierenden
erfüllen?
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert eine Ausweitung von derartigen
Programmen, die weniger auf eine monetäre Unterstützung als vielmehr auf eine
Förderung der persönlichen Entwicklung abzielen, auch auf Menschen, die sich in
der Berufsausbildung befinden - und zwar nicht durch die Implementierung neuer
selbständiger Förderprogramme, sondern durch die Integration der Auszubildenden
in bestehende. Denn ist die Bereicherung nicht für alle umso größer, umso
vielfältiger die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen ist und umso weiter der
gesellschaftliche Kreis, in dem eine Vernetzung erfolgt?
Begründung
Erfolgt mündlich.
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