Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 2024-1 (Uelzen) |
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Tagesordnungspunkt: | #9 verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 18.04.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 18.04.2024, 21:04 |
V-IA2: Gegen rechten Antifeminismus hilft Sozialpolitik für die 99%
Antragstext
Noch immer ist Sexismus am Arbeitsplatz Normalität, es gibt keinen
flächendeckenden Zugang zu trans* sensibler Gesundheitsversorgung, Frauen haben
im Alter knapp 30% weniger Einkünfte als Männer und gleichzeitig verbringen sie
täglich 79 Minuten mehr mit unbezahlter Care-Arbeit. Das alles sind Symptome
einer systemischen Benachteiligung von Frauen, inter*, trans* und genderqueeren
Menschen im Patriarchat.
Aktuell beobachten wir, wie der Kampf Rechter gegen Frauen und geschlechtliche
Minderheiten in Deutschland immer weiter zunimmt. Das kürzlich von CSU und
Freien Wählern in Bayern eingeführte “Genderverbot” ist dabei nur die Spitze des
Eisbergs des sich zunehmend verschärfenden Kampfes gegen Feminismus.
In anderen EU-Staaten wurde dies zuletzt noch deutlicher: Wenn Rechte erstarken,
sind es besonders Frauen, inter*, trans* und genderqueere Menschen, die mit als
erstes darunter leiden. Die ehemalige PiS-Regierung in Polen hat das Recht auf
Schwangerschaftsabbrüche drastisch eingeschränkt. Und erst letztes Jahr hat die
rechtsnationalistische italienische Regierung lesbische Mütter aus den
Geburtsurkunden ihrer Kinder streichen lassen.
Rechte in ganz Europa kämpfen strategisch gegen feministische Bestrebungen und
vergangene Errungenschaften, die für sie eine Gefahr für die Aufrechterhaltung
des Patriarchats und damit für ihre eigene Macht darstellen. Traditionelle
Geschlechterrollen und Familienbilder sollen Männer weiterhin privilegieren und
Frauen, inter*, trans* und genderqueere Personen ihnen unterordnen.
Frau-Sein ist ein Sicherheitsrisiko
Jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland Opfer eines Femizides. Femizid –
das ist der Mord an einer Frau aufgrund ihres Frau-seins. 2023 wurden mindestens
115 Frauen ermordet, 2024 wurden bereits mindestens 22 Frauen Opfer eines
Femizids (Stand: 30.03.24). Diese Morde werden oft als „Beziehungsdramen“ oder
„Verbrechen aus Leidenschaft“ verharmlost. Diese Morde haben jedoch System und
sind Symptome der strukturellen Unterdrückung von Frauen. Trennungs- und
Partnerschaftstötungen müssen daher auch konsequent als Femizide benannt werden
und dementsprechend verfolgt und geahndet werden! Femizide sind jedoch nur die
extremste Form geschlechtsspezifischer Gewalt: Jede dritte Frau wird in ihrem
Leben mindestens einmal Opfer von psychischer oder physischer sexualisierter
Gewalt. Frau-sein ist ein Sicherheitsrisiko!
Die Realität ist: Die Situation von Frauen verbessert sich nicht. Im Gegenteil –
durch die zunehmende Verbreitung rechtsextremer Ideologien werden auch misogyne
Ideologien verbreitet, womit die Gefahr für Frauen steigt. Im Zentrum
rechtsextremer Ideologien steht stets eine heroische, wehrhafte und kämpferische
weiße Männlichkeit, die alles “Unmännliche” abwertet. Diese hasserfüllte
Abwertung richtet sich insbesondere gegen eine konstruierte, “besondere Form”
von Weiblichkeit, wie beispielsweise bei Lesben, Politikerinnen oder
„Karrierefrauen” und drückt sich in den rechtsextremen Ideologien durch
Antifeminismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit sowie Misogynie aus.
Frauen sind in diesem rechtsextremen Weltbild in der Hierarchie immer dem Mann
untergeordnet - „Der Feminismus“ wird als Feindbild skizziert. Antifeministische
Einstellungen sind dabei bis in die Mitte der Gesellschaft verbreitet und
gesellschaftlich so tief verankert und normalisiert, dass sie meist gar nicht
als problematisch wahrgenommen werden. Diese antifeministische, gesellschaftlich
akzeptierte Basis bildet die Grundlage für Femizide, die lediglich die
mörderische Spitze misogyner Gewalt sind, die Frauen alltäglich erleben.
Um Frauen wirksam vor diesen Gefahren zu schützen, braucht es flächendeckende
Schutzräume, Anlauf- und Beratungsstellen für betroffene Frauen. Derzeit gibt es
deutschlandweit jedoch lediglich 7.000 von den gemäß der Istanbul Konvention
benötigten 21.000 Frauenhausplätzen. Allein in Niedersachsen bräuchte es
mindestens 810 Frauenhausplätze, tatsächlich gibt es aktuell aber nur ca. 450.
Hauptursache für das Fehlen von Frauenhausplätzen ist die unsichere, zu knappe
und bundesweit uneinheitliche Finanzierung. Es braucht daher von der Bundes- und
Landesregierung eine flächendeckende Finanzierung von Beratungsstellen und damit
einhergehend einen Ausbau von Frauenhausplätzen mit der Garantie auf sofortige,
kostenlose Unterbringung.
Nieder mit dem binären Geschlechtersystem
Nicht erst seit dem CSD Hannover im vergangenen Jahr, bei dem ein 17-jähriger
trans* Mann angegriffen und schwer verletzt wurde, merken wir: Die Gewalt gegen
inter*, trans* und genderqueeren Personen nimmt dramatisch zu. In Niedersachsen
hat sich die Zahl queerfeindlicher Straftaten seit 2020 mehr als verdoppelt.
Kern des Problems ist jedoch das patriarchale und kapitalistische System, in dem
es eine strikte Trennung der binären Geschlechter gibt. Diese Trennung ist kein
Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung, denn die Trennung zwischen dem
geldverdienenden Mann und der Hausfrau dient dem Kapitalismus. Frauen übernehmen
in dieser Zurückdrängung ins Private, den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit
und damit der Reproduktion der Arbeitskraft. Diese Reproduktion der
Arbeitskraft, in Form von Kindererziehung, Kochen oder Wäsche machen ist
wiederum essentiell notwendig für die kapitalistische Produktionsweise. Durch
diese nicht entlohnte Arbeit können Profite erst maximiert werden. Dieses
ausbeuterische und ungleichheitsfördernde System resultiert darin, dass inter*,
trans* und genderqueere Personen, die gar nicht erst in das binäre System
reinpassen, noch stärker diskriminiert werden. Die Abwertung aller “Nicht
Männer” ist, wie bereits beschrieben, schon für Frauen ein knallhartes Problem.
Für Menschen, die mit dieser Binarität brechen, ist die Lage nochmal prekärer.
Oft fehlt den Menschen ein familiäres Sicherheitsnetz, sie sind mit
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert, oder müssen viel Geld für
notwendige Gesundheitsleistungen aufbringen. All das führt schlussendlich dazu,
dass inter*, trans* und genderqueere Menschen überdurchschnittlich oft in
prekären Beschäftigungen arbeiten und von Armut betroffen sind.
Es gilt, bereits erkämpfte queere Errungenschaften zu verteidigen – doch damit
geben wir uns noch lange nicht zufrieden. Wir fordern endlich echte
Selbstbestimmung für alle! Das Selbstbestimmungsgesetz ist zwar ein Schritt in
die richtige Richtung, jedoch auch nur ein kleiner Schritt. Das zeigt: Echte
Selbstbestimmung und dadurch Schutz und Sicherheit für inter*, trans* und
genderqueere Menschen müssen wir uns selber erkämpfen! Wir fordern
flächendeckende Schutzräume und sichere Anlaufstellen für inter*, trans* und
genderqueere Personen!
Feminismus bedeutet Arbeitskampf
Patriarchat und Kapitalismus verstärken und verfestigen sich gegenseitig.
Frauen, inter*, trans* und genderqueeren Personen werden in diesem System in
besonderem Maße ausgebeutet. Die strikte Trennung zwischen Öffentlichem, also
der Lohnarbeit und der unbezahlten Care-Arbeit im Privaten, die meistens von
Frauen, trans* inter* oder genderqueeren Personen geleistet wird, führt zur
absoluten Abhängigkeit vom Mann. Dieser Abwertung der Care-Arbeit folgend, sind
es auch genau diese Berufe, wie Erzieher*innen oder Krankenpfleger*innen, die
schlecht bezahlt werden und in denen die Arbeitsbedingungen oft prekär sind. Für
uns heißt das, dass der feministische Kampf und der Arbeitskampf gemeinsam
gedacht werden müssen. Auch in Folge dieser systematischen Teilung ist das
Risiko für Altersarmut bei Frauen, inter*,trans* und genderqueeren Personen
deutlich größer als bei Männern. Um Frauen, inter* trans* und genderqueere
Menschen endlich aus der Abhängigkeit von Männern zu befreien, braucht es unter
anderem endlich kostenlose und verlässliche Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.
Eine gleichberechtigte Frau passt nicht in das Welt- und Familienbild der
Rechten. Denn dieses basiert auf der Hierarchisierung von Menschen nach
Kriterien wie Nationalität, Hautfarbe oder eben Geschlecht. In Zeiten sozialer
Unsicherheiten werden Menschen, getrieben durch eigene materielle Nöte, offener
gegenüber den einfach erscheinenden Lösungen des rechtsextremen Populismus. Die
arbeitende Klasse wird so erfolgreich geteilt und gegeneinander ausgespielt. Um
den reellen Existenzängsten der Menschen nachzukommen und damit dem
Rechtsextremismus entgegenzustehen, braucht es endlich wirksame Sozialpolitik,
die die konkreten Lebensrealitäten der Menschen verbessert. Wir fordern daher
ein existenzsicherndes Bürgergeld ohne Sanktionen, die Erhöhung von Mindestlohn
und BAföG und eine Kindergrundsicherung, die auch reell Kinder aus der Armut
holt.
Als Grüne Jugend Niedersachsen fordern wir daher:
Umsetzung der Istanbulkonvention
Der Hass auf und die Gewalt gegen Frauen steigt mit der zunehmenden Verbreitung
rechtsextremer Ideologien. Gleichzeitig sind Schutzräume für von Gewalt
betroffene Frauen unterfinanziert und nicht ausreichend vorhanden. Deshalb
fordern wir in Zeiten erhöhter Gefahr für Frauen die konsequente Einhaltung der
Istanbul Konvention!
Echte Selbstbestimmung
Damit inter*, trans* und genderqueere Menschen endlich selbstbestimmt, ohne
allgegenwärtige Angst leben können, braucht es konkrete Angebote vor Ort. Wir
fordern eine Ausfinanzierung von flächendeckenden Schutzräumen und
Anlaufstellen.
Systemische Armut Abschaffen
Um echte Selbstbestimmung, nicht nur für Frauen, inter*, trans* und genderqueere
Personen, sondern für die 99% zu erreichen braucht es endlich echte Maßnahmen
gegen Armut. Niemand muss in Niedersachsen in Armut leben und so vom
gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Her mit der echten
Kindergrundsicherung, mit einem existenzsichernden Bürgergeld und mit
flächendeckenden Tarifverträgen! Dafür fordern wir die Streichung der
ungleichheitsfördernden Schuldenbremse.
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