Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 2024-1 (Uelzen) |
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Tagesordnungspunkt: | #9 verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 17.04.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.04.2024, 16:31 |
V-IA1: Humanität und Klassenkampf
Antragstext
Die migrationspolitische Debatte wurde über das letzte Jahr massiv verschärft.
Dabei übernehmen zum einen Politiker*innen von der Union bis zu den Grünen
rechte Narrative und wirken auf Asylrechtsverschärfungen hin. Zum anderen wird
als vermeintlich progressive Alternative immer häufiger eine Erzählung in die
Öffentlichkeit getragen, die die Verwertbarkeit von Geflüchteten in den
Vordergrund stellt. Es werde “keine Einwanderung in die Sozialsysteme geben,
sondern in den Arbeitsmarkt”, beteuerte Arbeitsminister Hubertus Heil in diesem
Zusammenhang. Der Logik des Arbeitsministers und Gleichgesinnter nach, sind
Geflüchtete nur dann erwünscht, wenn man sie ausbeuten kann. Diese Logik zeigt
sich nicht zuletzt an der GEAS-Reform oder an Teilen des
Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Diese rassistische Migrations- und Asylpolitik
verurteilen wir deshalb nicht nur auf moralischer Ebene. Politische
Entscheidungen, die sich in diese rassistischen Kontinuitäten einreihen, müssen
als komplexe, vielfältige Klassenkonflikte eingeordnet werden.
Wir lassen uns nicht spalten
Dass die Ministerpräsident*innen der Länder nun die Einführung von Asylverfahren
in Drittstaaten fordern, reiht sich in diesen kontinuierlichen Kampf gegen uns,
die 99% ein. Die Unterdrückung Geflüchteter in Drittländern mit schlechter
Menschenrechtsbilanz ist bereits seit Jahren gängige EU-Politik, wie die
Asylpakte mit der Türkei oder Libyen in der jüngeren Vergangenheit zeigten.
Geflüchteten wird der Zugang und der Verbleib auf dem europäischen Festland so
zunehmend erschwert. Die Auslagerung von Asylverfahren, wie es Großbritannien
und Italien bereits vereinbart haben und welche nun deutsche Politiker*innen
fordern, stellt ein Konkurrenzdenken zwischen Geflüchteten und EU-Bürger*innen
in den Vordergrund. Während sie dies teilweise unter dem Deckmantel vermeintlich
humanitärer Anliegen fordern, zeigen die Entwicklungen in der europäischen
Migrations- und Asylpolitik der letzten Jahre eindeutig: Nicht Humanität ist das
Ziel, sondern die Spaltung der außereuropäischen von der innereuropäischen
Arbeiterklasse.
Der Klassenkampf gegen uns, die 99%, wird gleichzeitig an unterschiedlichen
Schauplätzen intensiviert. Denn wenn Menschen hierzulande um die wenigen
Kitaplätze konkurrieren und ein Geflüchteter dazu kommt, ist nicht der
Geflüchtete Schuld, sondern die politisch geschaffene Knappheit der Kitaplätze.
Die Schuld trägt eine Politik, die die soziale Frage nicht in unserem Interesse
behandelt und dafür sorgt, dass das gute Leben für alle immer weiter aus unserer
Reichweite gerät.
Wir stellen uns klar gegen eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten.
Mit dieser Asylrechtsverschärfung würde erneut Unrecht in Recht gegossen werden.
Stattdessen muss eine Politik für uns sichere Fluchtwege ermöglichen und vor Ort
eine gute Daseinsvorsorge sowohl für die hier-geborene Familie als auch für die
Familie auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Verfolgung bieten.
Von der Ampel für die Konzerne
Während die Ampel entgegen unserer Interessen immer gefährlichere Fluchtwege
errichtet und an unserer Daseinsvorsorge kürzt, weitet sie die
Westbalkanregelung aus und führt kurzzeitige, kontingentierte Beschäftigung ein.
Die Bundesregierung maximiert mit diesen Maßnahmen die Ausbeutung von
Arbeitskräften aus dem Ausland. Ihre Rechte und Möglichkeiten, sich gegen
schlechte Arbeitsbedingungen oder Dumpinglöhne zu wehren und für bessere
Arbeitsbedingungen einzusetzen, werden dadurch weiter beschnitten. Durch kurze
Aufenthaltsdauern und eine fehlende Bleibeperspektive lassen migrantisierte
Menschen die prekären Bedingungen über sich ergehen. So dürfen Arbeiter*innen im
Zuge der neuen Regelungen zum Teil nur gebunden an eine befristete Beschäftigung
und maximal acht Monate pro Jahr nach Deutschland kommen. Die Befristung macht
eine langfristige Organisierung faktisch unmöglich, da jeder individuelle
Aufstand gegen die Bedingungen zur vorzeitigen Kündigung und damit auch zur
Abschiebung aus Deutschland führt.
Gesellschaftlich werden solche Praktiken immer wieder in zwei Schritten
legitimiert: Migrantisierte Menschen müssen besonders häufig in Jobs mit
niedrigem Lohn und schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten. Rassistische Debatten
legitimieren diese realen Missstände, indem sie die prekären Bedingungen
fälschlicherweise der kulturellen Herkunft oder angeblichen biologischen
Unterschieden derjenigen, die in den Berufen arbeiten, zuschreiben. Dabei hat
dieser ausgesprochene Rassismus die Funktion für Profitinteressen weitere
Möglichkeiten zu schaffen, migrantisierte Menschen noch stärker auszubeute.
Für uns ist klar: Rassistische Erzählungen und die Profitlogik, der alles im
Kapitalismus unterworfen ist, gehen Hand in Hand und verursachen eine massive
Überausbeutung von Menschen, die in ihrer Heimat aus verschiedensten Gründen
keine Perspektive mehr haben. Dass einerseits ungewollte Geflüchtete in
Drittstaaten abgeschoben werden sollen und andererseits als verwertbar gesehene
Arbeitskräfte nach Deutschland einwandern sollen, entlarvt angeblich humanitäre
Interessen. Weg mit Gesetzen, die das in geltendes Recht gießen und her mit
einer Politik, die gute Arbeit für alle möglich macht - unabhängig von
Staatsbürgerschaft und Geburtsort!
Als GRÜNE JUGEND Niedersachsen kritisieren wir die systematische
Hierarchisierung und menschenfeindliche Ausgrenzung von migrantischen Teilen der
Arbeiter*innenklasse. Deshalb fordern wir:
Aufenthaltstitel dürfen nicht vom Arbeitsgeber abhängen - dauerhafte
Bleibeperspektiven jetzt!
Migrantische Arbeitskräfte mithilfe von zeitlich begrenzten
Aufenthaltstiteln in prekäre Arbeit zu zwingen hilft niemandem - außer den
Profitinteressen der Konzerne. Stattdessen braucht es von Arbeitgebern
unabhängige, sichere Bleibeperspektiven. Auch migrantisierte Menschen
müssen sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren können!
Ob aus dem Balkan, Südamerika oder aus Salzgitter: Gute Arbeit für alle!
Einen Fachkräftemangel entschärft man nicht durch die Ausbeutung von
migrantisierten Menschen. Fachkräftemangel herrscht insbesondere dort, wo
der Lohn niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Dagegen hilft:
Leiharbeitsfirmen und undurchsichtige Subunternehmer-Konstrukte verbieten!
In diesen Arbeitsverhältnissen sind wirksame Kontrollen von
Arbeitnehmer*innenrechten nahezu unmöglich. Sie dienen darüber hinaus
Arbeitgeber*innen dabei, die Löhne und Arbeitsbedingungen bei den direkt
angestellten Kolleg*innen zu drücken. Höchste Zeit, diese ausbeuterischen
Schlupflöcher zu verbieten!
Asylverfahren in Drittstaaten ohne uns!
Asylrechtsverschärfungen, die das ohnehin prekäre Leben Geflüchteter
verschlimmern, lösen keine Probleme in den Lebensrealitäten der Menschen
vor Ort. Wir lassen uns nicht spalten. Wir fordern, dass Niedersachsen
Forderungen nach Asylverfahren in Drittstaaten entschlossen ablehnt!
Begründung
erfolgt mündlich
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