Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 2025-1 (Uelzen) |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | #9 Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Oldenburg Stadt (dort beschlossen am: 01.05.2025) |
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 2 |
D-I1: Gerechtigkeit für Lorenz - Polizeireformen jetzt!
Antragstext
Am frühen Ostersonntag wurde der 21-Jährige Lorenz in der Oldenburger Innenstadt
von einem Polizisten mit drei Schüssen von hinten getötet. Wir sind erschüttert,
dass ein Sohn dieser Stadt auf diese Weise sein Leben verloren hat. Viele
Schwarze Menschen und People of Color sind ebenfalls schockiert, aber
keinesfalls überrascht. Für sie sind Polizeigewalt und Rassismus trauriger Teil
des Lebens in Deutschland. Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, wir können das
nicht hinnehmen!
Das Mindeste ist jetzt die lückenlose Aufklärung jener Nacht. Es fällt jedoch
schwer, den Ermittlungen zu vertrauen. Sie werden geführt von der
Polizeiinspektion aus der Nachbarstadt Delmenhorst. Man kennt sich, man geht
zusammen auf Fortbildungen. Vor vier Jahren war es die Polizeiinspektion
Oldenburg, die gegen die Delmenhorster Kollegen ermittelte, nachdem dort der 19-
Jährige Qosay Khalaf in Polizeigewahrsam kollabierte und starb. Die Ermittlungen
wurden ohne Anklage eingestellt.
Dem Vertrauen schadet außerdem, dass die Bodycams der Oldenburger Polizist*innen
ausgeschaltet waren. Wie praktisch, dass diese Kameras scheinbar immer laufen,
wenn Polizist*innen angegangen werden, aber nie, wenn Polizeigewalt aufgeklärt
werden muss.
Keine Ausreden mehr, Daniela Behrens!
Im Koalitionsvertrag steht: "Wir werden dafür sorgen, dass sich auch in Zukunft
alle Menschen in Niedersachsen auf diesen Staat verlassen können." Gerade sehen
wir, dass ein Teil der Bevölkerung sich verständlicherweise nicht mehr auf
diesen Staat verlassen kann. Sie haben alles Recht dazu, diese Gefühle zu haben
und wir dürfen sie ihnen nicht absprechen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe dafür
zu sorgen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wir dürfen nicht wegschauen und
auch nicht von Einzelfällen reden. Was es jetzt braucht sind echte Konsequenzen,
die wirklich für mehr Sicherheit sorgen. Hierbei sehen wir insbesondere
Innenminsiterin Daniela Behrens in der Verantwortung, die in den letzten zwei
Jahren viel zu wenig getan hat.
So tragisch und emotional aufgeheizt die Stimmung gerade auch ist, sollten
Polizist*innen nicht in ihren täglichen Aufgaben beleidigt werden. So ein
Verhalten spaltet nur und lenkt von strukturellen Reformen ab.
Diese braucht es seit Jahren dringend, unabhängig vom genauen Hergang in
Oldenburg, der sich erst in den kommenden Wochen rekonstruieren lässt. Die
Polizei hat eine besondere Stellung in der Gesellschaft, dieser Stellung muss
sie gerecht werden. Neben konsequenter Entfernung rechter Uniformträger*innen
aus dem Dienst braucht es endlich strukturelle Reformen!
Sofort-Maßnahmen umsetzen, Vertrauen schaffen
Sofort umsetzbar und längst überfällig sind folgende Maßnahmen in Niedersachsen,
um einen Teil des verlorenen Vertrauens wiederherzustellen:
1. Einführung einer*eines niedersächsischen Polizeibeauftragten, auch als
Beschwerdestelle für Betroffene von Diskriminierung durch Polizist*innen.
Diese*r
muss mit umfassenden Kompetenzen wie in Rheinland-Pfalz ausgestattet werden.
Das steht bereits im Koalitionsvertrag und darf jetzt nicht länger verzögert
werden!
2. Eine unabhängige Ermittlungsstelle, die gegen Polizist*innen ermittelt.
Polizist*innen aus Nachbarorten kennen sich und decken sich im Zweifelsfall
gegenseitig. Nur die Kontrolle von außen durch eine weisungsungebundene
Taskforce nach dem Vorbild in skandinavischen Ländern kann Vertrauen schaffen.
3. Alle Polizeieinheiten mit Bodycams ausstatten, die im Bereitschaftsbetrieb
die
letzten 30 Sekunden aufzeichnen. Die Bodycams müssen automatisch auslösen,
wenn zum Beispiel das Holster geöffnet wird und angeschaltet werden, wenn
Betroffene es verlangen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch in
Stresssituationen die Aufnahme läuft. Auch das steht im Koalitionsvertrag und
muss
jetzt endlich umgesetzt werden!
4. Lehren aus der Studie zu Rassismus in der Polizeipraxis von Astrid Jacobsen
und Jens Bergmann ziehen! In der Studie wurden 12 Diskriminierungsrisiken
ausgemacht, mit diesen müssen sich Polizei und Politik jetzt intensiv
auseinandersetzen. Eine dringende Sofort-Maßnahme ist es, auf das falsche
Konzept der sogenannten "Clankriminalität" zu verzichten. Die Studie zeigt, dass
das Konzept rassistisch ist und zu falschen Ermittlungsergebnissen führt.
Weitere Maßnahmen für mehr Sicherheit und Vertrauen
Darüber hinaus müssen folgende Maßnahmen innerhalb der nächsten 12 Monate
begonnen
und innerhalb von 2 Jahren abgeschlossen werden:
● Ein Ticketsystem für Kontrollen bei dem Ort, Zeit, Polizist*in und Anlass der
Kontrolle festgehalten werden, um Racial Profiling zu erfassen und dagegen
vorgehen zu können. Als Sofort-Maßnahme sollte eine Modellprojekt für ein
Ticketsystem eingeleitet werden.
● Eine umfassende Polizeireform: Polizist*innen sollten viel stärker mit bspw.
Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen zusammenarbeiten. Daneben muss die
Supervision in der alltäglichen Polizeiarbeit gestärkt werden, nicht nur nach
problematischen Einsätzen.
● Streifen ohne Schusswaffen: Wie beispielsweise in Großbritannien üblich
sollten nur noch spezialisierte Polizist*innen eine Schusswaffe führen. Viele
Streifen brauchen diese nicht.
● Anonymisierte Kennzeichnungspflicht in geschlossenen Einsätzen, um Fälle von
Polizeigewalt zuordnen zu können. Staatliches Handeln, auch problematisches,
muss zugeordnet werden können!
● Ausbildung an staatlichen Hochschulen statt an isolierten Akademien und
stärkerer Fokus in der Ausbildung auf Deeskalation, Umgang mit psychischen
Ausnahmesituationen und Sensibilisierung für Diskriminierung.
Alle diese Forderungen werden von zahlreichen Kriminolog*innen geteilt. Nur
durch diese
Maßnahmen kann Vertrauen in die Polizei zurückgewonnen werden. Nur so kann die
traurige Reihe von Namen durchbrochen werden, die Opfer von Polizeigewalt
geworden
sind.
Begründung
erfolgt mündlich
Kommentare