| Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 2025-2 (Goslar) |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | #14 Verschiedene Anträge |
| Antragsteller*in: | Steffen Henkensiefken (KV Oldenburg-Land) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 04.11.2025, 21:44 |
V8: Gute Psychotherapie braucht verlässliche Bedingungen – Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sichern!
Zusammenfassung
Seit der Reform des Psychotherapeutengesetzes 2020 folgt auf das Studium eine fünfjährige, vergütete Weiterbildung, doch wer diese Vergütung finanziert, ist bis heute ungeklärt. Kliniken und Praxen können die Kosten nicht tragen, wodurch Weiterbildungsplätze fehlen und viele angehende Psychotherapeut*innen ohne Perspektive bleiben. Das verschärft den Mangel an Therapieplätzen und gefährdet die psychotherapeutische Versorgung. Wir fordern daher eine verbindliche gesetzliche Finanzierung der Weiterbildung, um faire Bedingungen und Planungssicherheit zu schaffen. Zudem braucht es Übergangsregelungen für aktuell Approbierte, die Anerkennung psychischer Gesundheit als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und das Zusammendenken von Gesundheits- und Gleichstellungspolitik, da die psychotherapeutische Arbeit überwiegend weiblich geprägt ist und fehlende Finanzierung bestehende Geschlechterungerechtigkeiten verstärkt.
Antragstext
Seit 2020 regelt sich der Weg des Psychologiestudiums hin zur
psychotherapeutischen Weiterbildung neu: Durch die Novellierung des
Psychotherapeutengesetzes schließt sich dem neu geschaffenen Masterstudiengang
„Klinische Psychologie und Psychotherapie“ nach der Approbation eine fünfjährige
Weiterbildung an, deren Vergütung vom Gesetzgeber verpflichtend festgelegt
wurde. Mit der Approbation am Ende des Studiums können die Absolvent:innen den
Beruf bereits selbständig und eigenverantwortlich ausüben. Die Weiterbildung zur
Fachtherapeut:in ist jedoch nötig, damit sich die approbierten
Psychotherapeut:innen mit einer kassenärztlichen Praxis niederlassen und ihre
Patient:innen die Behandlungskosten über die Krankenkassen abrechnen können.
Dabei ist die fünfjährige Weiterbildung nun analog zur fachmedizinischen
Ausbildung angelegt und löst die dreijährige Ausbildung ab. Da diese selbst zu
finanzieren war, verschuldeten sich die Psychotherapeut:innen häufig hoch.
Für die neu geregelte Weiterbildung benötigen die Psychotherapeut:innen
Einsatzorte in Kliniken, Praxen und Ambulanzen, um praktische Erfahrung zu
sammeln. Der Haken daran ist allerdings, dass die Weiterbildungsplätze an diesen
Orten de facto nicht existieren: Jens Spahn als Gesundheitsminister hat zwar den
Weg reformiert, die Finanzierung dieser ließ er jedoch ungeklärt. Dadurch sehen
sich die Weiterbildungsstätten nicht in der Lage, die Weiterbildungsplätze zu
finanzieren, sodass diese kaum angeboten werden und wir es mit einem massiven
Engpass an Möglichkeiten zur Weiterbildung zu tun haben. Eine adäquate Vergütung
von Psychotherapeut:innen in Weiterbildung wird von der Bundesregierung momentan
nicht sichergestellt und Tausende Psychotherapeut:innen stehen ohne Perspektive
da. Das ist nicht nur massiv ungerecht für diejenigen, die unserer Gesellschaft
und Menschen mit dringendem Behandlungsbedarf helfen möchten, sondern sorgt auch
mittelfristig für einen Engpass an psychotherapeutischer Versorgung. Bereits
heute haben wir dahingehend eine angespannte Situation, die nun droht, noch
dramatischer zu werden.
Dabei steigt der Bedarf psychotherapeutischer Behandlungen rapide an ohne
Anstieg von Therapieplätzen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen: Schon
jetzt muss vielerorts mit exorbitanten Wartezeiten gerechnet werden. Psychisch
erkrankte Menschen sehen sich ohnehin mit existenziellen Nöten und Sorgen
konfrontiert, die durch langes Warten auf einen Therapieplatz verstärkt werden.
Sich um einen Therapieplatz zu kümmern, obwohl man sich momentan nicht einmal um
sich selbst zu kümmern vermag, spitzt das Leid der Menschen mit psychischen
Erkrankungen immens zu. Wenn beispielsweise depressive Episoden autarkes
Organisieren unmöglich machen, stellt das insbesondere diejenigen vor enorme
Herausforderungen, die keinen sozialen Rückhalt haben beziehungsweise nicht in
gut betuchten Verhältnissen leben. Aber genau diese gesellschaftlich
marginalisierten Menschen sind deutlich anfälliger dafür, psychisch zu
erkranken. Durch Armut sind sie in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und
Sichtbarkeit unterrepräsentiert, bei psychischen Erkrankungen jedoch statistisch
massiv überrepräsentiert.
Doch nicht nur diejenigen, die dringend Hilfe benötigen, sondern auch die
approbierten Psychotherapeut:innen stehen vor enormen Herausforderungen. Wenn
den angehenden Helfenden keine Weiterbildungsplätze garantiert werden können,
befeuert das Versorgungsengpässe, da die künftigen Psychotherapeut:innen sich
möglicherweise umorientieren oder sogar ihr Studium hinauszögern, in der
Hoffnung auf Besserung. Das sorgt nicht nur für immense Unsicherheiten für den
beruflichen Weg der Studierenden und bereits approbierten Psychotherapeut:innen,
sondern gefährdet auch den Wissenschaftsstandort Deutschland: Mittelfristig
fehlt klinisch qualifizierter Nachwuchs für die Psychotherapieforschung und das
schwächt die Psychotherapieforschung insgesamt, obwohl sie eine zentrale Säule
psychotherapeutischer Versorgung darstellt.
Darüber hinaus ist die psychotherapeutische Arbeitswelt weiblich dominiert und
damit sind Frauen überproportional von der fehlenden Finanzierung betroffen.
Diese Perspektive darf bei der Debatte nicht vergessen werden. Auch die
gesellschaftlich geringe Anerkennung von Care-Arbeit und weiblich dominierten
Berufen spiegelt sich hier wider. Daher stellt der aktuelle Zustand auch eine
Schieflage im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit dar. Als solche sollten wir
dieses Thema auch angehen und um dem Ziel der Gerechtigkeit näherzukommen, muss
die Ungerechtigkeit der fehlenden Finanzierung beseitigt werden.
Im Petitionsausschuss des Bundestags wurde bereits eine Petition zur
Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung behandelt und dem Bundestag
beziehungsweise der Bundesregierung mit dem höchstmöglichen Votum empfohlen.
Auch der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, in dieser Sache endlich
zu handeln und für eine nachhaltige Finanzierung zu sorgen. Zwar hat die Ampel-
Koalition durch Änderungen im Gesundheitsversorgungsgesetz mittlerweile für
etwas Abhilfe gesorgt, aber nicht annähernd für eine langfristige, in allen
Bereichen wirksame Lösung und das trotz anhaltender Kritik der Verbände, des
Bundestags und des Bundesrats.
Daher fordern wir als GRÜNE JUGEND Niedersachsen:
Nachhaltige, gesetzliche Finanzierung schaffen: Der Bund muss eine
verbindliche, gesetzlich geregelte Finanzierung der Weiterbildung in
Kliniken, Praxen und Weiterbildungsambulanzen sicherstellen und dauerhaft
einplanen.
Psychische Gesundheit als öffentliche Aufgabe begreifen: Psychische
Gesundheit gehört zur Daseinsvorsorge. Daher braucht sie politische
Priorität und ausreichende Mittel.
Übergangsregelungen für neue Approbierte: Die ersten Jahrgänge
approbierter Psychotherapeut:innen dürfen nicht im Leerlauf bleiben. Sie
brauchen kurzfristige Förder- und Übergangsprogramme.
Psychische Gesundheit als soziale Frage begreifen: Soziale Ungleichheit
und Armut beeinflussen psychische Belastungen ebenso wie den Zugang zu
Behandlungen. Diese strukturelle Ungerechtigkeit muss beseitigt werden.
Feministische Perspektive stärken: Wir fordern, dass feministische
Gesundheits- und Gleichstellungspolitik zusammengedacht wird, damit in
Bereichen wie der Psychotherapie gerechte Bezahlung, sichere
Arbeitsbedingungen und verlässliche Finanzierung gewährleistet sind.
Wir solidarisieren uns mit den Studierenden und Berufsanfänger:innen: In
mehrerer Hinsicht ist der aktuelle Zustand nicht hinnehmbar und die
Wertschätzung für diejenigen, die anderen helfen möchten, fehlt der
Bundesregierung völlig. Statt berufliche Perspektiven, den Wissenschaftsstandort
Deutschland und unsere mentale Gesundheit zu gefährden, soll die Bundesregierung
endlich die Forderungen von Verbänden und Petitionen aufgreifen und eine
tragfähige Lösung vorlegen!

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