| Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 10/2018 | 
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 9. V-Anträge | 
| Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 09.10.2018) | 
| Status: | Eingereicht | 
| Eingereicht: | 09.10.2018, 23:57 | 
V9: Ein Gespenst für Europa – die europäische Republik als linke Antwort auf den Rechtsruck
Zusammenfassung
Europa ist und bleibt in der Krise. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert verschieden Maßnahmen in der Migrationpolitik ( zB sichere Fluchtwege), Sozialpolitik (zB eine euopäische Sozialversicherung) und derWirtschaftspolitik (zB Verbot von Menschenrechtsverletzung in Lieferketten). Der Antrag hat vor allem das Ziel dadurch eine europäische Republik zu schaffen.
Antragstext
Die EU und Europa scheinen von einer Krise in die nächste zu rutschen. 
Schuldenkrise, Finanzmarktkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Griechenlandkrise, 
Ukrainekrise, Terrorkrise, Humanitätskrise, Rechtsruckkrise. Doch sind das alles 
wirklich Krisen? Vielmehr liegt die allen zugrunde liegende Krise doch in der 
Beschaffenheit der EU. Diese kommt als technokratischer, bürger*innenferner und 
undemokratischer Bürokratiekolloss daher. Die Krisenhaftigkeit der EU, so müssen 
wir heute feststellen, liegt an der institutionellen Trilogie aus Europäischem 
Rat, Parlament und EU-Kommission, die allesamt zu unserer aller Unzufriedenheit 
mit den Herausforderungen der letzten Jahre umgehen. Es ist also vor Allem eine 
Demokratiekrise, die der EU und Europa die progressive Kraft nimmt. Die 
Herausforderung ist es, diese strukturellen Mängel zu beseitigen und die EU 
radikal zu reformieren. Hierfür stellt sich die GRÜNE JUGEND Niedersachsen 
hinter die Idee einer europäischen Republik. Nur so kann auch die Idee eines 
Europa der Regionen statt der Nationalstaaten erfolgreich umgesetzt werden.
Als Sofortmaßnahmen gegen die Demokratiekrise der EU fordert die GRÜNE JUGEND 
Niedersachsen eine Reform der Europäischen Kommission sowie die gleichzeitige 
Stärkung des Europäischen Parlaments durch die Schaffung des Initiativrechts. 
Das Parlament muss das Herzstück der europäischen Demokratie werden und muss 
daher die Möglichkeit haben, selbst Gesetzesinitativen einzubringen.
Ferris not Frontex - für ein weltoffenes und menschenwürdiges Europa
Wer EU-Bürger*in ist, der*die hat die Möglichkeit sich in allen Mitgliedstaaten 
Arbeit zu suchen, ein Zuhause aufzubauen und kann sich ohne Beschränkungen in 
der EU bewegen. Menschen, die fliehen und laut Pass keine Bürger*innen der EU 
sind haben keine Möglichkeit in angemessenen Verfahren in den EU-Ländern 
aufgenommen zu werden. Vor allem ihre Flucht ist unsicher und gefährlich. 
Besonders, weil die EU die Flucht gefährlich macht. Durch den politischen Willen 
der EU-Politiker*innen gelangen „Entwicklungsgelder“ in (Nord-)Afrikanische 
Länder wie Niger, Marokko und Libyen, die genutzt werden, um fliehende Menschen 
aufzuhalten, zu misshandeln oder zu töten. Die EU ist hierfür direkt 
mitverantwortlich. Zusätzlich gibt es internationale Seerechtsabkommen und 
einfache moralische Grundsätze der EU, die die Rettung von fliehenden Menschen 
auf dem Mittelmeer voraussetzen. Allein, weil jeder Mensch das Recht auf Leben 
und andere Menschenrechte hat, müsste die EU im Mittelmeer Rettungsaktionen 
durchführen, die genau dieses Recht schützen. Diese Rettungsaktionen gibt es 
aber nicht. Im Gegenteil, Initiativen, die sich bereit erklären Menschen zu 
retten, kommen vor Gericht, weil sie Menschenleben retten. Ihnen wird verboten 
weiterhin die Pflichten zu erfüllen, die die EU nicht leisten kann, nämlich 
Menschen vor dem Tod zu bewahren. Die EU hat durch ihren Umgang mit Migration 
vollkommen versagt in der Wahrung ihrer Werte.
Dem setzen wir unsere Forderungen für ein humanitäres und weltoffenes Europa 
entgegen.
- Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert die Abschaffung der europäischen 
 Grenzschutzagentur Frontex und ein Ende des Sterbens an den europäischen
 Außengrenzen.
- Wir fordern auch die strukturelle Abschaffung der europäischen 
 Binnengrenzen und ein Ende der tödlichen Abschottungspolitik.
- Dazu braucht es auch sichere Fluchtwege! Die EU muss 
 Seenotrettungsaktionen neu ins Leben rufen. Außerdem muss sie sichere
 Fluchtkorridore schaffen, die es allen Menschen in der gesamten EU
 ermöglicht Asyl zu finden. Ein solidarisches Europa muss für alle Menschen
 da sein und kann sich nur als antifaschistisches und antirassistisches
 Europa verstehen.
2019 wird eine Richtungsentscheidung
Die Europaparlamentswahl 2019 wird voraussichtlich die erste Wahl nach dem 
Brexit, dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU sein. Der Erfolg 
von Rechtspopulist*innen in Europa nimmt eine unvergleichliche Dimension an. 
Überall in Europa sind rechte Parteien so stark wie nie. In Österreich regiert 
die rechtsextreme FPÖ zusammen mit der konservativen ÖVP, in Italien hetzt der 
Innenminister und Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini, Mitglied der 
rechtsextremen Partei Lega, gegen Geflüchtete und verhindert aktiv deren 
Rettung. In Polen regiert die PiS-Partei antifeministisch und reaktionär durch 
und verhängt hohe Strafen auf Abtreibungen. In Frankreich und Deutschland nehmen 
antisemitische und fremdenfeindliche Übergriffe zu, die Gewalt gegen 
Migrant*innen und LSBTIQA*-Personen steigt. Autoritäre Regime wie die Regierung 
von Victor Orban in Ungarn werden von der CSU hofiert, die CDU in Sachsen 
schließt eine Koalition mit der AfD nicht mehr aus. Wird auch im Europaparlament 
der autoritäre Schulterschluss der Rechtsextremen mit den Konservativen seinen 
Lauf nehmen oder schaffen wir es, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen? Die 
reaktionäre Konterrevolution von rechts scheint jedenfalls vielerorts schon 
vollzogen.
Wir müssen an neuen linken Bündnissen und Mehrheiten arbeiten, um diesem 
Rechtsruck Einhalt zu gebieten. Unsere Vision eines republikanisch organisierten 
und demokratischen Europas kann diesem linken Gegenentwurf einige konkrete Ideen 
schon jetzt entgegenstellen.
Europa muss Sozialunion statt Wirtschaftsunion sein
Ein Europa ohne Populismus kann nur ein soziales Europa sein und andersrum. Um 
sich als EU-Bürger*in zu identifizieren braucht es eine gemeinsame 
sozialpolitische Linie, die allen Menschen gleiche Ausgangmöglichkeiten 
ermöglicht. Dafür braucht es mehr Solidarität in Europa! Europa darf keine 
neoliberale Wirtschaftsunion sein, sondern muss Sozialunion werden, denn der 
Neoliberalismus bereitet dem Faschismus seinen Weg.
Als sozialpolitische Antwort auf die prekäre Lebenssituation vieler Millionen 
Menschen in Europa fordern wir folgende Maßnahmen:
- Es braucht eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik, die nicht nur 
 Freizügigkeit in den Vordergrund stellt, sondern die soziale Sicherung.
 Aus diesem Grunde braucht es eine europäische Sozialversicherung, die
 Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld abdeckt und für gleiche
 Grundvoraussetzungen sorgt
- Ebenso müssen Krankenversicherung und weitere gesundheitspolitischen 
 Regelungen auf EU-Ebene reguliert werden. Diese muss eine kostenfreie
 Grundversorgung für alle Menschen beinhalten.
- Ebenso fordern wir einen einheitlichen europäischen Mindestlohn.
- Alle Menschen müssen für die gleiche Arbeit gleich viel verdienen, dass 
 Frauen weniger verdienen können wir nicht dulden. Auch klassische
 Pflegeberufe, die öfter von Frauen ausgeübt werden, werden schlecht
 entlohnt. An dieser Stelle braucht es eine Aufwertung der Care-Arbeit.
Wer ein gerechtes Europa will, muss sich mit dem Kapitalismus anlegen
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt den Handelsbedingungen aufzustellen und einen 
freien Handel zu ermöglichen. Ganz offensichtlich hat sie es jedoch nicht 
geschafft, solche Abkommen zu beschließen, die angemessene 
Verbraucherschutzstandards erfüllen. Viele Bürger*innen gingen deshalb auf die 
Straße, um gegen bestimmte Abkommen zu demonstrieren. In Sachen 
Verbraucherschutz schlägt sich die EU generell häufig auf die Seite der 
Unternehmen, auch wenn sie dafür keine guten Argumente hat. Das wird deutlich an 
der Erlaubnis das Pestizid Glyphosat zu verwenden, die Entscheidung ist schwer 
nachvollziehbar, da unabhängige Studien das Gegenteil der EU-Sicht abbilden. Die 
EU darf keine Institution sein, die wirtschaftlichen Akteur*innen freie Hand 
gewährt, während sie im Sinne der Wachstumslogik die Erde über alle ökologischen 
Grenzen ausbeuten. Klimaschädliche Wirtschaftspraktiken müssen Konsequenzen nach 
sich ziehen, schließlich tragen alle Menschen die Kosten, die solch eine 
kapitalistische Wirtschaftsweise verursacht. Weiterhin muss die EU mehr 
Verantwortung übernehmen im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen.
Firmen dürfen keine Menschrechtsverletzungen begehen oder zulassen, die EU muss 
dafür sorgen, dass sie diesem Anspruch gerecht werden.
Die Wirtschaft muss im Sinne menschlicher Bedürfnisse stehen, nicht im Sinne 
kapitalistischer Verwertungslogik. Um das durchzusetzen braucht es eine EU, die 
den enthemmte Kapitalismus Solidarität und Menschenrechte entgegensetzt.
Insgesamt muss klar sein: Es braucht ein ökologisches, offenes und solidarisches 
Europa. Nur ein solches Europa kann mit den aktuellen Krisen umgehen, nur ein 
solches Europa kann den eigenen Werten wie den Menschenrechten gerecht werden. 
Dazu braucht es eine wirtschafliche, sozialpolitische und migrationspolitische 
Wende.
Begründung
Europa muss sich radikal wandeln. Das anstehende Europawahljahr 2019 müssen wir zum Anlass nehmen, um uns in Hinblick auf die EU neu zu positionieren. Es braucht eine europäische Vision für Bürger*innen in der EU, nur so lässt sich die krisenbehaftete EU überwinden.
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